In einem Fischerdorf, das hier aus Sicherheitsgründen nicht namentlich erwähnt werden wird, gibt es die sehr beliebte Kneipe „Zum Biervulkan“.
(Natürlich sind alle Namen und handelnden Personen frei erfunden, da wir Pastafari auch mit der Zeit gehen und nicht verantworten können, dass dieses Dorf sich von nun an vor Touristenströmen nicht mehr retten kann.)
Die Einheimischen versammeln sich abends gern auf ein Feierabendbier, um sich über die aktuellen Ereignisse im Dorf und der Welt allgemein austauschen zu können. Alle mögen das dort ausgeschenkte Bier. Weil es wirklich jedem schmeckt, wird immer mal versucht, das Geheimnis zu erkunden, was denn da so drin ist. Aber der Wirt tut jedes Mal sehr geheimnisvoll und ließ sich bisher nicht in die Karten gucken, egal, wie clever sich die Gäste auch anstellten. Daher nannte ihn bald jeder Tortellini, wie die allen bekannte Teigware, die ein kleines Geheimnis in sich trägt.
Da der eine oder andere Dorfbewohner gelegentlich Freunde und Verwandte von Außerhalb zu Gast hat und gemeinsam mit ihnen im Biervulkan einkehrt, um auch ihnen das äußerst schmackhafte Gesöff zu gönnen, machte die Nachricht weit über die Dorfgrenzen hinaus die Runde, dass im Biervulkan bei Tortellini das beste Bier auf der ganzen Welt zu haben ist.
Seit einigen Jahren strömen Gäste von nah und fern. Der Umsatz steigt ständig. Also mussten Übernachtungsmöglichkeiten für auswärtige Besucher her und es wurden ein paar Gästezimmer angebaut. Aber sobald irgendwo auf der Welt ein klein wenig Wohlstand Einzug hält, erscheinen leider auch zeitnah kriminelle Subjekte.
Im vergangenen Jahr bemerkte Tortellini, dass das Bier in den Fässern schneller abnahm, als es eigentlich sein dürfte. Auch ein paar Weinflaschen vom guten Wein für besondere Festlichkeiten fehlten. Er musste handeln. So konnte es nicht weitergehen. Schließlich stand das Nudlige Lichterfest vor der Tür. Der findige Wirt besprach die Sache am Stammtisch mit seinen treusten Kunden, die über die Jahre auch zu seinen dicksten Kumpels wurden. Gemeinsam beschlossen sie, dass sich je zwei von ihnen für eine Nacht im Keller versteckten, um Wache zu halten. Gesagt, getan, das Unterfangen lief an, der Erfolg blieb aber aus. Am 24. Dezember waren die Freunde eingeteilt, die noch keine eigene Familie hatten. Da sie in ihrem jugendlichen Leichtsinn alles etwas lax sahen, schärfte Tortellini ihnen noch einmal ganz deutlich ein, wie wichtig ihr Auftrag ist, dass sie auf gar keinen Fall beide einnicken durften und besonders auf den Wein achten müssen. Fehlt der, ist das Essen am kommenden Feiertag nicht perfekt, wie von den Gästen erwartet. Und auf sein Festtagsmenü, zu dem zwingend ein erstklassiger Wein gehört, war Tortellini stolzer, als auf das gute Bier. Die Bierherstellung hatte er im Schlaf drauf, aber beim Kochen kann immer mal etwas passieren. Schließlich ist so ein Menü nicht jeden Tag zu zaubern.
Die jungen Freunde stiegen in den Keller hinab und machten es sich auf dem Strohsack bequem, auf dem schon Nächte zuvor auch alle anderen Posten bezogen. Sie setzten sich so, dass sie den Wein genau im Blickfeld hatten. An diesem Tag füllte sich der Biervulkan nicht, wie gewohnt. Die Familien saßen daheim, warteten auf den Lichterpiraten und feierten ausgelassen zu Hause. Den beiden wurde es langweilig. Die Zeit verging einfach nicht. Müdigkeit kam auf. So entschied einer der beiden, doch mal ein kleines Bierchen für jeden aus dem Fass abzuzapfen, um wieder munter zu werden. Ihr ahnt sicher, dass es nicht bei einem Bier blieb. Hätte in dieser Nacht tatsächlich ein Einbruch stattfinden sollen, hätten sie den Einbrecher durch ihr Lärmen verscheucht. Die Freunde waren so angetrunken, dass sie sich über ihre eigenen Wortspiele krumm und schief lachten. „Wein achten, rein brachten, ein krachten, ein machten, …“ Ich weiß, es ist für uns, die wir nüchtern sind, wirklich nicht lustig. Für die beiden war der Spaß auch bald vorbei, denn sie fielen ins Stroh und schliefen Arm in Arm ein.
Am Morgen darauf stieg Tortellini in den Keller hinab und fand die Helden noch im Schlaf vor, laut schnarchend. Zuerst musste er schmunzeln, denn sie ähnelten irgendwie dem Fliegenden Spaghettimonster in ihren Verknotungen. Als ihm dann aber die Bierfahnen in die Nase stiegen, wurde er böse und weckte sie unsanft. Sie schraken hoch. „Wir haben auf den Wein geachtet.“, war kleinlaut zu vernehmen. Der Wirt fauchte zurück: „Ihr solltet auch auf das Bier achten! Macht euch bloß vom Acker.“ Viel Zeit konnte er nicht vertrödeln. Die Küche rief.
Das Monster muss wohl gelegentlich mal ein Auge auf dieses Dorf und seine Bewohner werfen, denn ein paar Tage später bezog zum Jahreswechsel ein Fremder mit Familie eines der Gästezimmer. Als unser Stammtisch tagte und etwas zu laut über die Wache der jungen Freunde debattierte, bekam er genug mit, um sich einen Reim darauf zu machen.
Am folgenden Tag sprach er den Wirt auf die Sache an und hatte auch die richtige Lösung parat. Er riet Tortellini, ordentliche Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Ein für jeden zugänglicher Keller, der nur mit einem einfachen Schloss versehen ist, läd gern mal zum Kosten ein. Schon am ersten Abend sah der aufmerksame Gast, wo der Kellerschlüssel deponiert wurde. Es war nicht zu schwer, sich aus der meist überfüllten Schankstube in den Keller zu schleichen, um sich ein paar Gratisgetränke zu gönnen.
Tortellini musste über sich selbst lachen. Warum hatte er diese einfache Wahrheit nicht schon längst selbst erkannt? Aber ist das mit einfachen Wahrheiten nicht oft so? Ist es nicht häufig erst der Blick von außen, der sie sichtbar macht?
Er dankte dem Fremden und spendierte ihm einen Abend lang Freibier. Den Gelegenheitsdieb suchte er nun nicht mehr, sorgte jedoch dafür, dass sein Weinkeller fortan besser gesichert wurde. Verluste hatte er seitdem nicht mehr zu beklagen. Traf sich der Stammtisch, dachte er oft an diese Weisheiten. Dann lächelte er verschmitzt in die Runde und gelegentlich erinnerte er an die Pastatszeit, in der die Fässer wohl undicht gewesen sein müssen.