Foto: Nina Aldin Thune

Märchen
Es
war einmal ein König, der sein Land liebte und weise regierte. Er
liebte auch sein Volk und das Volk liebte ihn, denn er war gerecht,
hatte ein Ohr für die Sorgen und Nöte seiner Untertanen und stand
ihnen mit Rat und Tat zur Seite.
Von
ganzem Herzen aber liebte der König seine Gemahlin, die ihr
gemeinsames Glück komplettierte, indem sie ihm zwei Söhne schenkte,
erst Kaspar, dann Melchior. Die Söhne wuchsen heran und entwickelten
sich prächtig.
Als
es für Kaspar und Melchior Zeit wurde, fürs Leben ausgebildet zu
werden, ließ der König Erzieher kommen. Jeder Sohn sollte seinen
eigenen Lehrmeister erhalten, um so gut wie möglich auf das Leben
eines späteren Königs vorbereitet zu sein. Die klügsten Männer
wurden in Augenschein genommen und vom König höchst persönlich
geprüft. Bald darauf nahm die Erziehung seiner Söhne ihren Anfang.
Kaspar
geriet an einen sehr strengen Lehrmeister. Dieser stammte aus einem
gestrengen katholischen Haushalt und brachte von nun an wenig Freude
in das Leben des Achtjährigen. Nicht lange und auch er sah sich die
Eigenschaften seines Lehrers ab, wurde zum zielstrebigen,
engstirnigen Kinde, das alles daran setzte, Lob vom Lehrmeister zu
empfangen. Eigene Gedanken hatten da keinen Platz. Kaspar unterwarf
sich wie ein Schaf.
Melchior
hatte es etwas besser getroffen. Sein Lehrmeister war moderner. Er
war von evangelischem Glauben geprägt und erzog seinen Zögling
nicht gar so streng. Jedoch war auch Melchior ehrgeizig und bemühte
sich, es seinem Lehrmeister möglichst recht zu machen.
Zur
Freude des Königspaares kündigte sich ein weiteres Kind an. Dieses
Kind entwickelte sich schon im Mutterleib anders, als die beiden
älteren Brüder. Nicht selten stieß es seine Mutter so heftig, um
sich besser bewegen zu können, dass sie über ihren runden Bauch
strich und das ungeborene Kind liebevoll „mein kleiner Pirat“
nannte.
Der
Tag der Niederkunft war gekommen. Abermals gebar die Königin einen
Prinzen, der den Namen Balthasar bekam. Leider konnte sie sich an
ihrem dritten Kinde kaum erfreuen, denn sie starb schon bald nach der
Geburt. Der König war zu Tode betrübt und obwohl er ein sehr
gerechter König war, nahm er es Balthasar sehr übel, dass er ihm
seine Frau nahm. Schon bald ward er nicht mehr bei seinem Namen
gerufen. Der König nannte ihn nur noch „Pirat“, nicht ohne dabei
voll Trauer an seine Königin zu denken. Unser kleiner Pirat war ihr
zudem wie aus dem Gesicht geschnitten. Balthasar, den bald alle nur
noch „Pirat“ nannten, kam früher als die beiden anderen Söhne
in die Obhut eines Erziehers. Dabei wurde kein großes Federlesen
gemacht. Als eines Tages ein alter Fahrensmann ins Schloss kam, um
sich in den Dienst des Königs zu stellen, weil er aus
gesundheitlichen Gründen nicht mehr zur See fahren konnte, ernannte
der König ihn kurzerhand zum Erzieher seines dritten Sohnes. Da
dieser soeben ernannte Lehrmeister Pastafari war, wurde der kleine
Pirat im Glauben an das Fliegende Spaghettimonster erzogen.
Jahre
gingen ins Land. Die Söhne reiften zu jungen Männern heran. Es war
an der Zeit, sie auf die Probe zu stellen, zu prüfen, aus welchem
Holz sie von ihren Lehrern geschnitzt wurden.
Der
König fasste den Entschluss, sie für drei Jahre an den Rand eines
nahe des Schlosses gelegenen Dorfes zu schicken, um dort die
Schafzucht zu erlernen. Er wollte prüfen, wie sie sich im Umgang mit
einfachen Lebewesen anstellten, ehe er dem Geeignetsten von ihnen die
Regierung seines Volkes anzuvertrauen gedachte.
So
rief er seine Söhne zusammen und teilte seinen Entschluss mit. Jeder
bekam eine Herde von sieben Zippen und einem stattlichen Bock. Sobald
die Lehrzeit beendet war, sollte ein jeder einen Baum am Rande des
Dorfes pflanzen, aber nur, wenn er sich sicher war, seine Aufgabe zur
Zufriedenheit gemeistert zu haben.
Gesagt,
getan, die Söhne zogen aus. Aber nur einer ging leichten Schrittes,
unser Pirat. Die beiden älteren Brüder waren entsetzt. Sie konnten
sich kaum vorstellen, ihren gewöhnten Luxus zu verlassen und gar
durch eigener Hände Arbeit ihren Unterhalt zu bestreiten. Ihre
Lehrmeister hatten sie obendrein auf eine solche Aufgabe nur
unzureichend vorbereitet. Also blieb ihnen nichts, als abzuziehen und
auf den Segen ihres Gottes, an den sie so fest glaubten, zu hoffen.
Kaspar
hatte es besonders schwer. Seine Schafherde bekam nach dem 1. Jahr
nicht ein einziges Lamm zustande. Das war nicht verwunderlich, denn
er trennte den Bock von den Zippen, so wie gelernt. Männer und
Frauen sollten nach seinem Glauben vor der Ehe nicht beieinander
sein. Also machte der Ahnungslose es bei den Tieren ebenso. Aber
Tiere sind ja bekanntlich unberechenbar, besonders, wenn ihnen das
Fell juckt. Eines Nachts, als der Bock den besonderen Duft der
Zippen wahr nahm, gab es für ihn kein Halten. Er sprang über seine
Absperrung und beglückte ein paar Zippen.
Im
2. Jahr gab es folgerichtig erste Lämmer. Kaspar glaubte, dass Gott
es irgend wie bewerkstelligt hätte. Wieder wurden die jungen Böcke
von den Lämmern getrennt. Als diese ihren Trieb an anderen Böcken
zu befriedigen suchten, wusste Kaspar sich nur einen Rat, er
schlachtete sie kurzerhand. So etwas war für ihn undenkbar, gar
abartig. Auch ein paar Zippen mussten ihr Leben lassen, da sie den
Paarungsvorgang instinktiv miteinander übten.
Im
3. Jahr gab es noch wenigere Lämmer. Aber letztlich konnte Kaspar
eine Herde von nunmehr 11 Zippen und natürlich dem einen Bock
verzeichnen. Das war ihm genug, er ward zufrieden und beabsichtigte
nun, den Baum zu pflanzen, damit sein Vater und König sich den
Ertrag besehen konnte. Nichts Geringeres, als eine stolze Eiche
wollte er pflanzen. Gesagt, getan, es wurde ein Loch ausgehoben, die
junge Eiche eingegraben. Sogar das Angießen vergaß Kaspar nicht.
Melchior
stellte sich etwas geschickter an. Seine Tiere durften sich paaren.
Allerdings achtete er streng darauf, dass sie es nur bei Nacht taten
und es nicht mit der Häufigkeit übertrieben. Auch das Bespringen
gleichgeschlechtlicher Tiere ahndete er streng. Der Armselige
behandelte seine Schafherde wie Menschen, setzte sie mit der Herde in
seiner Kirchgemeinde gleich. Dass Menschen, die ähnlich seiner
Herde, frei und ohne Dogmen leben wollen, kam ihm nicht in den Sinn.
Er wusste es nicht besser, brachte es im letzten Jahr aber immerhin
so weit, seine Herde zu verdoppeln. Also zog auch er los, pflanzte
eine Jungeiche neben die seines Bruders.
Viel
besser stellte sich unser Pirat seiner Aufgabe. Er ließ seine Herde
frei laufen, beobachtete sie und lernte sogar von ihnen. Kam ihm
etwas komisch vor, war er sich nicht zu fein, ins Dorf zu stiefeln,
um sich von erfahrenen Bauern Rat zu holen. Er konnte am Ende
Krankheiten der Tiere behandeln, wusste genau, welches Futter gut für
sie war und war in der Lage, die Tiere zu scheren und Wolle aus ihrem
Fell zu spinnen. Selbst das Melken beherrsche er, konnte Quark und
Käse aus der Milch der Muttertiere herstellen. Nach den drei Jahren
hatte er eine stattliche gesunde Herde vorzuweisen und pflanzte nicht
ohne Stolz eine kleine Buche neben die Eichen seiner Brüder.
Alle
Bäume wuchsen gut an und entwickelten sich, die Buche etwas
schneller als die zwei Eichen.
Die
älteren Brüder sahen das und Neid kam auf. Sie stöberten weiter
und entdeckten, dass ihr jüngerer Bruder ihnen nicht nur bei der
Baumbepflanzung überlegen war. Kaspar und Melchior bangten sehr um
ihren Sieg, denn sie wollten doch einer wie der andere nichts
sehnlicher, als endlich König zu werden, um ein ruhiges bequemes
Leben auf Kosten ihrer Untertanen führen zu können.
Schnell
wurde gehandelt. Die älteren Brüder nahmen eine Säge und schnitten
den Baum ihres jüngsten Bruders einfach ab. Damit sie bei dieser Tat
nicht entdeckt wurden, verließen sie von nun an ihre Weiden nicht
mehr. Um ihr Gewissen zu erleichtern, richteten sie täglich Gebete
an ihren Gott, um Absolution zu erhalten. So glaubten sie, sich rein
gewaschen zu haben.
Der
König hörte von seinen Untertanen, dass seine Söhne inzwischen die
verabredeten Bäume gepflanzt hatten und machte sich auf, diese zu
besichtigen. Als er den Strunk unseres Piraten sah, war er nicht
verwundert. Von ihm erwartete er einfach nichts. Als der König dann
aber die Herden seiner Söhne besah, änderte er schnell seine
Meinung. Er erkannte, dass Pirat den richtigen Weg gegangen war und
freute sich, dass sein so geliebtes Volk, einen fähigen Nachfolger
bekommen würde. Er erkannte aber auch, dass seine älteren Söhne
noch eine Menge zu lernen hatten. Der alte König bereute, sich all
die Jahre so wenig um seine Kinder gekümmert zu haben und bereute den Fehler, die Erziehung in fremde Hände gegeben zu haben und
fortan dem Selbstlauf zu überlassen. Das wollte er nun nach bestem
Wissen und Gewissen wieder gut machen. Falls Kaspar und Melchior
nicht zu sehr indoktriniert waren, gab es noch Hoffnung.
Der
Buche aber bekam der Schnitt recht gut. Sie wuchs um so besser,
entwickelte ein prächtige Krone und einen starken Stamm. Noch heute
kommen die Leute von nah und fern, um sie zu sehen und sie raunen
sich zu: „Diesen Baum hat ein Pastafari gepflanzt.“

Und wenn sie nicht gestorben sind …
… sind sie noch nicht am Biervulkan.